Wer den Begriff »Fahrradhelm« zusammen mit »Wirksamkeit« in eine Suchmaschine tippt, kann sich den Rest des Tages frei nehmen: Kaum ein anderes Thema wird kontroverser diskutiert. Und man lernt, was ein Helm – wenigstens theoretisch – alles anrichten kann:
- Man kann sich den Hals verdrehen, da der Helm den Kopfumfang und damit den Hebelarm vergrößert.
- Man kann härter aufprallen, da ein Helm das Gewicht des Kopfes erhöht und weil man wegen des größeren Umfangs den Boden eher berührt.
- Man kann sich strangulieren.
- Man kann sich mit Helm sicherer fühlen und riskanter fahren.
- Man kann einen Hitzschlag bekommen.
Man lernt auch viel über Korrelationen. Beispiel? Klick! Da steht: »In der Seattle-Studie findet man 7,2 % Helmträger unter den Kopfverletzten, […] die Helmtragequote in Seattle [… betrug] gerade mal 5,5 % [… Also:] etwas mehr Kopfverletzte durch den Helm.« Was da nicht steht: Vielleicht fahren Helmträger im Mittel längere Strecken, oder überdurchschnittlich oft flott mit dem Rennrad, oder statistisch öfter auf viel befahrenden Straßen, oder cum hoc ergo propter hoc, was korreliert ist nicht automatisch auch kausal.
Man kann auch vermuten, dass einige Studien von Interessen getrieben sind: Vielleicht von Herstellern. Vielleicht von Versicherungen die einen Grund suchen, einem Nicht-Helmträger die Zahlung zu verweigern. Vielleicht von einem Auto-Verein, der Radfahren gefährlich darstellen möchte. Sie haben sich ja doch alle verschworen, gegen uns Helden der Landstraße.
Man muss es letztlich selbst entscheiden – ich trage einen Helm. Ich werde das Gefühl nicht los, dass ein Helm in den folgenden drei Fällen tatsächlich geholfen hätte (obwohl ich weiß, dass Einzelbeispiele als Argument auch nichts taugen) :
1. Bei einer Gefällefahrt in den französischen Alpen erlitt ein Velomobilist ein Schädeltrauma mit Todesfolge nachdem er in einer Kurve die Kontrolle über das Fahrzeug verlor und ohne Helm mit dem Kopf gegen eine Leitplanke schlug.
2. Nach dem Zusammenstoß mit einem Auto wurde ein Velomobilist schwer verletzt: Polizist im Video: »Der Fahrradfahrer trug keinen Helm und kam auf den Asphalt mit dem Kopf und hat deshalb die schweren Verletzungen erlitten.«
3. Blogeintrag eines Velomobilisten, der nie mehr ohne Helm fahren möchte: »Deshalb stürzte ich über den Kopf und mein Gesicht knallte auf die Fahrbahn. Ein Helm hätte die Verletzungen in meinem Gesicht vermindern können. Nun ist mein Augenlied aufgescheuert, verschiedene Quetschungen und Abschürfungen und eine gebrochene Nase.«
Niemand weiß, ob die Verletzungen in den Beispielen nicht ähnlich schwer gewesen wären, wenn die Verunfallten Helme getragen hätten – auch wenn der Polizist im Video das behauptet. Ein gewisser Schutz gegen die Wirkung von Kanten (Schädelfraktur, Platzwunden) leuchtet mir aber ein. Schon weniger, ob Helme immer die (negative) Beschleunigung des Hirns beim Aufprall (Schädel-Hirn-Trauma, Gehirnerschütterung) reduzieren. Oder sogar verstärken?
Auch wenn ich einen Helm trage: Ich bin gegen eine Helmpflicht: Wenn eine Schutzwirkung so schwer nachzuweisen ist, kann sie nicht sehr groß sein, oder? Sicher ist nur: Rad fahren ohne Helm ist immer noch gesünder, als sich gar nicht zu bewegen!